Deutschland ist bei der Aufnahme von Flüchtlingen großzügig. Gut so. Aber die deutsche Gutmütigkeit wird zusehends ausgenutzt – von EU-Partnern und arabischen Despotien. Es wird Zeit, darüber zu verhandeln.
So viele Flüchtlinge in Europa gab es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Kriegsvertriebene aus dem arabischen Raum, Hungerflüchtlinge aus Afrika, Armutsflüchtlinge vom Balkan. Es kommen Hunderttausende, und sie kommen vor allem nach Deutschland. Die Deutschen demonstrieren dabei – das sollte man einmal lobend feststellen – ein bravouröses Beispiel an Hilfsbereitschaft.
Bis in die kleinsten Dörfer hinein reicht man den Migranten helfende Hände, es werden im ganzen Land neue Herbergen hergerichtet, alles Nötige zur Versorgung wird beigebracht. Von Kiel bis Kempten sind dieser Tage viele damit befasst, einfach zu helfen, wo man nur kann. Tausendfache, zum Teil rührend liebevolle Hilfsprojekte sind gestartet, die Empathie ist enorm und wirft ein schönes Licht auf die humanitäre Haltung unseres Landes.
Gleichwohl wird die schiere Zahl der Flüchtlinge langsam so groß, dass es vielerorts zu Problemen kommt. Ein Landkreis nach dem anderen schlägt Alarm, eine Stadt nach der anderen fühlt sich überfordert. Politische Streitigkeiten um die Finanzierung der Flüchtlingshilfen haben begonnen und es wird nicht lange dauern, dann werden Stimmen laut, die latente Ängste schüren, auch weil unter den Flüchtlingen viele Muslime sind.
Was ist los in Deutschlands Flüchtlingsunterkünften?
Warum müssen Asylbewerberheime bewacht werden?
Seit Jahresbeginn haben mehr als 115 000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Das Bundesamt für Migration verteilt die Asylbewerber auf die verschiedenen Bundesländer. Einige Erstaufnahme-Einrichtungen sind sehr überfüllt. Das führt zu Konflikten zwischen den Bewohnern, die zum Teil aus sehr unterschiedlichen Kulturkreisen stammen. Deshalb greifen die Betreiber auf die Dienste privater Sicherheitsfirmen zurück. Wenn es allerdings um Straftaten geht oder darum, die Bewohner vor Gewalt von außen – etwa durch Neonazis – zu schützen, muss die Polizei anrücken.
Wer betreibt die meisten Heime?
Für die langfristige Unterbringung nach der Erstaufnahme sind die Kommunen in Abstimmung mit der Landesregierung zuständig. Einige Bezirksregierungen – zum Beispiel in Bayern – heuern zwar private Sicherheitsfirmen an, die Unterkünfte betreiben sie aber selbst. In Hamburg kümmert sich die städtische Gesellschaft „fördern und wohnen“ um die Betreuung der Flüchtlinge. „Der Einsatz von Privaten kommt für uns nicht infrage“, sagt ein Sprecher der Sozialbehörde. In Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern werden einige Flüchtlingsheime von Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz oder den Maltesern betrieben, andere von privaten Unternehmen.
Wie viele Unterkünfte betreibt die Firma European Homecare?
Diese Firma organisiert nach eigenen Angaben bundesweit die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung von Asylbewerbern und Flüchtlingen in 40 Einrichtungen. Für die Bewachung der Gebäude holt sie externe Sicherheitsfirmen ins Haus.
Wer kontrolliert die Sicherheitsfirmen?
Die Kontrollen sind an einigen Standorten lückenhaft, meist wird jedoch zumindest ein polizeiliches Führungszeugnis verlangt. Die zwei Sicherheitsfirmen Siba und Kötter, die in Rheinland-Pfalz zwei Erstaufnahmeeinrichtungen bewachen, verlangten bei der Einstellung neuer Mitarbeiter „kultursensibles Verhalten“, sagt die Sprecherin des Integrationsministeriums in Mainz, Astrid Eriksson. Problematisch wird es nach Einschätzung von Experten, wenn die Sicherheitsaufgaben von einem Subunternehmer zum nächsten weitergereicht werden. Am Ende dieser Kette steht oft eine unterbezahlte Hilfskraft ohne jede Ausbildung. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, „dass man dem Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, der das Hausrecht durchsetzen soll, auch ein Stück Macht überträgt“.
Die Bundesregierung ist also gut beraten – schon um die vorbildliche Hilfsbereitschaft im Lande nicht zu verraten – das Thema wichtiger zu nehmen als bislang. Dazu gehören nicht nur rasche, unbürokratische Hilfen für die Kommunen. Es muss auch ein außenpolitischer Master-Plan her.
Denn die bemerkenswerte Gutmütigkeit der deutschen Bevölkerung sollte nicht ausgenutzt werden. Das wird sie aber zusehends. So machen sich viele EU-Staaten bei dem Thema einen schlanken Fuß, nehmen nur wenige oder gar keine Flüchtlinge auf. Oder schicken Schutzsuchende systematisch zu Zehntausenden gezielt und unter unwürdigen Umständen nach Deutschland.
Das widerspricht nicht nur den Abmachungen innerhalb Europas, es ist für Deutschland grob unfair. Den ersten Vorstoß deutscher Politik, man möge den Flüchtlingsstrom doch mittels Quoten einigermaßen fair verteilen, lässt die Mehrheit der EU-Staaten einfach an sich abperlen. Die Quote für die Verteilung wird offiziell „mehrheitlich abgelehnt“. Einfach so. Das aber ist nicht akzeptabel, die Bundesregierung wird sich hier stellen müssen.
„Das ist für Europa ein Skandal“
Portugal nimmt pro Monat keine 50 Personen auf. Spanien hat minimale Zahlen, obwohl viele Flüchtlinge über Spanien in die EU kommen. Ganz Osteuropa hält sich zurück, Großbritannien auch. Jeder zweite Flüchtling in Europa wird hingegen von Deutschland und Schweden aufgenommen, erklärt Innenminister Thomas de Maizière. Das ist für Europa ein Skandal.
Denn die Verträge sehen vor, dass die Ersteinreiseländer die Registrierung und die Bearbeitung der Asylanträge übernehmen müssen. Dieser Verpflichtung aber kommen sie kaum nach. Alleine das Bundesland Nordrhein-Westfalen nimmt derzeit so viele auf wie die Küstenstaaten Portugal, Spanien, Griechenland und Italien zusammen genommen.
Im laufenden Jahr haben laut Bundesinnenministerium in Deutschland von Januar bis September insgesamt 136.039 Personen Asyl beantragt. Das waren schon mehr als im gesamten Jahr 2013. Die meisten Experten erwarten mindestens 220.000 im Gesamtjahr.
Anstieg der Flüchtlingszahlen
Aufgrund von internationalen Krisen rechnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einem erneuten Anstieg der Flüchtlingszahlen in 2014. Im ersten Quartal 2014 haben rund 108.300 Flüchtlinge in einem der 28 EU-Staaten um Asyl angesucht. Doch kommen die meisten Asylsuchenden, die derzeit über das Mittelmeer nach Europa kommen, wirklich nach Deutschland?
Platz 9: Griechenland: 2.440 Antragsteller
Platz 8: Ungarn: 2.735 Antragsteller
Platz 7: Österreich: 4.815 Antragsteller
Platz 6: Belgien: 5.065 Antragsteller
Platz 5: Großbritannien: 7.575 Antragsteller
Platz 4: Italien: 10.700 Antragsteller
Platz 3: Schweden: 12.945 Antragsteller
Platz 2: Frankreich: 15.885 Antragsteller
Platz 1: Deutschland: 36.890 Antragsteller
Damit ist Deutschland Flüchtlings-Weltmeister, ja auf dem Weg zum Asylantenheim Europas. Schon 2013 hatte Deutschland noch vor den Vereinigten Staaten weltweit die meisten Asyl-Erstanträge bearbeitet: 109.600 waren es nach Zahlen der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR).
Hinzu kommen noch jene Asylbewerber, die nach einem abgelehnten Erstantrag einen Folgeantrag stellen sowie die sogenannten Kontingentflüchtlinge aus Syrien, die keinen Asylantrag stellen müssen. Insgesamt zählt die UNHCR zum Jahresende 2013 für Deutschland 334.857 Flüchtlinge. In Spanien waren es waren es gerade mal 9.251.
Warum die reichen Araber Verantwortung übernehmen sollten
Doch nicht nur die EU ist mit Deutschland nicht fair in der Flüchtlingsfrage. Auch die reichen Despotien Arabiens entziehen sich ihrer Verantwortung. Dabei wären doch gerade Saudi-Arabien und die superreichen Golfstaaten als unmittelbare Anrainer der Kriegsgebiete in der moralischen Pflicht, den gepeinigten Flüchtlingen in ihrer Region viel mehr zu helfen.
Doch dieser Aufgabe kommen sie nicht nach. Sie mischen sich mit allerlei dubiosen Interventionen in die Bürgerkriege massiv ein, sind ideologisch und finanziell den IS-Gruppen zuweilen gefährlich nah – doch ganz offensichtlich sehen sie es lieber, wenn die Schutzsuchenden nach Europa flüchten, anstatt ihnen direkt nebenan, im eigenen Kulturraum, Hilfe zu bieten.
Das ist inakzeptabel. Denn wenn umgekehrt in Holland ein grausamer Bürgerkrieg Massenflucht auslösen würde, käme Deutschland doch nicht auf die Idee, die Schutzsuchenden nach Arabien zu schicken. Saudi-Arabien aber tut genau das. Als eines der reichsten Länder der Welt verweigert sich Riad, die Flüchtlinge in großer Zahl aufzunehmen – und treibt sie lieber auf den gefährlichen Weg nach Europa.
So kommen die Flüchtlinge nach Europa
Lampedusa
Lampedusa ist ein beliebtes Ziel für Flüchtlingsboote. Die italienische Mittelmeerinsel liegt nahe der nordafrikanischen Küste. Doch es gibt noch andere Routen über die Flüchtlinge nach Europa gelangen.
Osteuropäische Route
Irreguläre Grenzübertritte 2014 (Januar-Juni): 407
Top 3-Herkunftsländer der Migranten:
Ukraine: 330
Afghanistan: 52
Vietnam: 47
Balkan-Route
Irreguläre Grenzübertritte 2014 (Januar-Juni): 5.634
Top 3-Herkunftsländer der Migranten:
Afghanistan: 1.693
Syrien: 1.139
Kosovo: 979
Östliche Mittelmeer-Route
Irreguläre Grenzübertritte 2014 (Januar-Juni): 12.962
Top 3-Herkunftsländer der Migranten:
Syrien: 8.241
Afghanistan: 2.488
Somalia: 760
Albanien-Griechenland Route
Irreguläre Grenzübertritte 2014 (Januar-Juni): 3.515
Top 3-Herkunftsländer der Migranten:
Albanien: 3.466
Mazedonien: 14
Georgien: 13
Apulien und Kalabrien
Irreguläre Grenzübertritte 2014 (Januar-Juni): 7.751
Top 3-Herkunftsländer der Migranten:
Syrien: 3.040
Nigeria: 684
Eritrea: 475
Zentrale Mittelmeer-Route
Irreguläre Grenzübertritte 2014 (Januar-Juni): 56.446
Top 3-Herkunftsländer der Migranten:
Eritrea: 17.829
Unbekannt: 9.494
Syrien: 8.588
Westliche Mittelmeer-Route
Irreguläre Grenzübertritte 2014 (Januar-Juni): 3.331
Top 3-Herkunftsländer der Migranten:
Mali: 783
Kamerun: 730
Guinea: 294
Westafrikanische Route
Irreguläre Grenzübertritte 2014 (Januar-Juni): 146
Top 3-Herkunftsländer der Migranten:
Marokko: 30
Mali: 24
Guinea: 16
Wenn verfolgte Christen und Jesiden lieber nach Deutschland flüchten als nach Mekka, kann man das verstehen. Aber bei vielen anderen bekommt man den Eindruck, dass die Golfstaaten mit dem Elend der Massen ein geopolitisches Spiel spielen und eine Völkerwanderung geradezu erzwingen wollen.
Es wird also Zeit, die Supermilliardäre in Katar, Dubai, Kuwait und Riad in die Verantwortung zu nehmen. Sie investieren in allerlei Verrücktheiten, sie sollten ein Stück weit auch in Humanität investieren. Was die deutsche Bevölkerung an Güte massenhaft beweist, das sollte die Bundesregierung an realpolitischer Verantwortung begleiten.